NS-Opfergruppen zwischen München und Salzburg mit Schwerpunkt EuRegio Südost-Oberbayern: Diskriminiert, verfolgt, entrechtet, ermordet – für erinnern, gedenken, mahnen (heute)


Erinnerungskultur/Gedenken – Vorwort

(Meine) Grundlagen – Zitate

"Wer heute einen Schlussstrich ziehen will unter diesen Teil deutscher Geschichte, der verhöhnt nicht nur die Opfer" (Heiko Maas, deutscher Außenminister, zusammen mit Prof. Dr. Andreas Wirsching, 2020).


Textstand 29.09.2021 | aktualisiert 2022 | 2023 | 25.03.2024   



Notiz vom 15.08.2020:
Beim "Natur­schlendern" an der Saalach war ich heute an der Hammerauer Brücke auf österreichischer Seite nach Wals abgebogen und finde dort an der Aussenwand der Kirche (Foto links) nicht nur einen Römer­stein, sondern zu meiner Über­raschung eine Gedenk­tafel für ein "Euthanasie"-Opfer der National­sozialisten – das erste Mal in unserer Gegend (abge­sehen jetzt von Salz­burgs "Stolper­steinen" für die unter­schiedlichen Kategorien von NS-Opfern, darunter auch für die Opfer der Patienten- und -Krankenmorde im Nationalsozialismus):


GedenktafelMaria Huber (geb. 1904) "ermordet im Mai 1941 in der NS-Tötungsanstalt Hartheim"

(Foto rechts, zum Vergrößern anklicken).


Ein unscheinbares, doch bei­spiel­haftes Stück Erinnerungs­kultur der Gemeinde Wals-Siezenheim, die sich der Realität mit Würde stellt!

Der Anlass ist ein Grund mehr für mich, hier die Eröffnung der Rubrik "Erinnerungs­kultur" (Home) vorzuziehen, auch wenn sie noch auf die redak­tionelle Komplet­tierung der Artikel über lokale NS-Opfer­gruppen warten muß, zumindest ist inzwischen schon mal die Übersicht (Einführung) und der Artikel "Sinti und Roma" online gestartet [vorübergehend offline].

Vorab eine Zusammen­fassung, angestoßen durch die ge­fundene Gedenk­tafel in Wals, siehe oben, auf ein national­sozialistisches Staats­verbrechen aus nicht allzu ferner Vergangenheit:

In der Zeit des National­sozialismus in Deutsch­land, Österreich und den besetzten/annek­tierten Gebieten fielen bis 1945 weit über 200.000 Menschen, die als "unwertes Leben" betrachtet wurden (zB Menschen mit Behin­derungen, Kranke und arbeits­unfähige KZ-Häftlinge), den "Kranken­morden" in Heil- und Pflege­anstalten sowie Konzen­trations­lagern zum Opfer. Das oben erwähnte Schloss Hartheim bei Linz, wo Frau Huber aus Wals ermordet wurde, gehörte zusammen mit Bernburg* und Sonnenstein zu besonderen Tötungs­anstalten während der NS-Diktatur. Wo verloren Menschen aus Freilassing (Oberbayern) und Um­gebung als Opfer der national­sozialistischen "Euthanasie"- und Kranken­morde ihr Leben? Bernburg, Gaskammer. Foto: johannes stephan wrobel freilassing (bayern), 2008In Hartheim wie Frau Huber aus Wals oder gehörten sie zu den mehr als 2.000 Patientinnen und Patienten, die zwischen 1940 und 1944 in der "Heil- und Pflege­anstalt Eglfing-Haar" (München) zu Tode kamen? Allein für Salzburg wird die Zahl von über 500 "Euthanasie"-Opfern genannt und eine Anzahl Namen im Internet gelistet. Darüber später insgesamt mehr hier, zusammen mit Fall­beispielen, in der Rubrik "Erinnerungs­kultur | 'Euthanasie'-Opfer - NS-Kranken­morde".

* Am 9. Oktober 2008 hielt ich in Bernburg, nach 12 Jahren Geschichts-, Gedenk- und Öffent­lichkeits­arbeit im In- und Ausland, dazu habe ich als Historiker zwischen 1996 und 2008 viele geschichts­wissen­schaftliche Aufsätzen publiziert, mein letztes Referat, "'Wohin diese Transporte gingen, erfuhren wir nicht.' Eine Spuren­suche." In Bernburg befindet sich die "Gedenk­stätte für Opfer der NS-Euthanasie Bernburg in Sachsen-Anhalt".

Anläßlich meines Besuches in Bernburg besichtigte ich den his­torischen Ort, die Räum­lichkeiten der ehemaligen NS-Tötungs­anstalt, ein­schließlich der Gas­kammer (Foto). Im November 2008 gab ich dann die damalige Gedenk- und Forschungs­arbeit in Verbindung mit einer NS-Opfergruppe und alle meine institutionellen Zu­gehörig­keiten freiwillig auf, zog von Selters/Taunus (Hessen) weg und begann auf der Schwäbischen Alb, ab 2011 in Ober­bayern, einen neuen, interes­santen und ausgefüllten Lebens­abschnitt, womit sich andere Teile der Homepage www.stephan-wrobel.de und meiner Webseiten beschäftigen.

Seit meiner "Entdeckung" der Gedenk­tafel für das NS-"Euthanasie"-Opfer Maria Huber in Wals-Siezenheim ist einige Zeit vergangen. Die Rubrik "Erin­nerungskultur/Gedenken" (NS-Opfergruppen) befindet hier noch immer in der Vorbe­reitungsphase. (Die gegen­wärtige Stagnation hier und bei fast allen anderen meinen Webseiten, was ich bitte zu entschuldigen, trat leider aus gesundheitlichen Gründen ein.) Daher vorab Informationen aus dem "Opfer­verzeichnis Salzburg":

Maria Huber wurde am 16. Juli 1904 in Wals (Österreich) geboren und am 21. Mai 1941 von der Landes­heilanstalt Salzburg in die Tötungs­anstalt auf Schloß Hartheim bei Linz verschleppt und dort 1941 ermordet (Q126-3). Weitere Infor­mationen habe ich über sie gegen­wärtig nicht zur Hand (wird angefragt). Maria Huber ist ein Beispiel für die vielen Opfer des National­sozialismus aus unserer Region, jenseits der Saalach.

Ebenso vorab das Zitat einer Zeitzeugin aus Salzburg-Maxglan: "Was mit Juden, Zigeunern, geistig Behinderten oder auch Anders­denkenden passierte, war uns durchaus bekannt. So wohnte zum Beispiel im Parterre von Wehrgasse 13 eine Familie H. Der Vater von Frau H.* war geistig behindert und deswegen in der LNK [Landes­nervenklinik Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 79, 5020 Salzburg]. Als Frau H. ihren Vater eines Tages besuchen wollte, kam sie gerade zurecht zum Abtransport der ganzen Abteilung in ein Todes­lager bzw. eine Sonder­anstalt [17. April 1941, s. Fußnote]. Die Kranken wehrten sich nach Kräften, schrien und weinten, da sie vermutlich ahnten, was mit ihnen passieren würde. Wenige Tage später erhielt die Familie die Ver­ständigung über den Tod des Vaters" (Lauterbacher 1995, S. 11).

* Gemeint ist Hermann Hager (geb. 31.03.1910 in Salzburg), der bei seiner ver­witweten Mutter in der Gemeinde Maxglan wohnte, seit 1935 ein Stadt­teil von Salzburg, und im November 1933 stationär in der Landes­heilanstalt Salzburg aufge­nommen worden war. "Er befand sich unter den 82 Pfleglingen, die am 17. April 1941 nach Hartheim deportiert und dort ermordet wurden", recherchierte der österreichische Historiker Gert Kersch­baumer für den in Salzburg verlegten "Stolperstein" für Hermann Hager.



Hier folgt der Kontext zum obigen Zitat im Titel
... und weitere Zitate als Grund­lagen für die Gedenkarbeit


Quelle: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-wirsching-zweiter-weltkrieg/2339358

Keine Politik ohne Geschichte

07.05.2020 - Namensbeitrag

Gemeinsamer Beitrag von Außenminister Heiko Maas und Prof. Dr. Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeit­geschichte München, zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs.


Kein Tag hat unsere jüngere Geschichte tiefer geprägt als der 8. Mai 1945. An diesem Tag schwiegen über den Gräbern von mehr als 40 Millionen Toten in Europa die Waffen. Die Schreckens­herrschaft der National­sozialisten und der Mord an den Juden Europas fanden ein Ende. Er wurde zum Tag der Befreiung für Millionen Ent­rechtete und Verfolgte, zum Tag des Gedenkens an die Opfer, zum Sieg über das Unrecht.

Die Deutschen zahlten mit diesem Tag den Preis dafür, dass sie den 30. Januar 1933 ermöglicht hatten und sich nicht selbst vom National­sozialismus befreien konnten. In den Trümmern deutscher Städte blickte die große Mehr­zahl der Menschen voller Angst und Ver­zweiflung in die Zukunft. Es dauerte 40 Jahre bis Richard von Weizsäcker auch im deutschen Namen von „Befreiung“ sprechen und dabei zumindest eine Mehrheit der west­deutschen Gesellschaft hinter sich wissen konnte. Möglich machte dies erst die oft schmerz­hafte, von Rück­schlägen geprägte Auf­arbeitung der Verbrechen des National­sozialismus nach dem Zweiten Weltkrieg.

Diese Erfahrung zeigt: Es lassen sich Lehren ziehen aus der Geschichte – zumal aus ihren Katastrophen. Dass von deutschem Boden nie wieder Krieg oder Mensch­heits­verbrechen ausgehen dürfen, ist heute unverrück­barer Kern deutscher Außen­politik. Unser Ein­treten für ein starkes und geeintes Europa, für die Menschen­rechte als univer­selle Ausprägung menschlicher Würde, für regel­gebundene, inter­nationale Kooperation, die Absage an deutsche Sonder­wege – all dies speist sich aus dem Wissen um die beispiel­losen Verbrechen Deutschlands im 20. Jahrhundert, die im Holocaust ihren monströsesten Ausdruck gefunden haben.

Wer heute einen Schluss­strich ziehen will unter diesen Teil deutscher Geschichte, der verhöhnt nicht nur die Opfer. Er beraubt deutsche Politik ihrer Glaub­würdigkeit. Denn: Selbst­kritik und Selbst­bewusstsein bedingen einander. Für kein Land gilt das mehr als für unseres.

Politik ohne Geschichte ist für uns undenkbar. [...]

(Hervorhebung hinzugefügt.)



Grundlagen für die Gedenk­stätten- und damit für die Gedenk­arbeit im allgemeinen


Quelle: Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/9875, 19.06.2008, Seite 1 (Vorwort und erster Satz der Einleitung). Zugeleitet mit Schreiben des Beauftragten für Kultur und Medien vom 18. Juni 2008.

[...] Die Bundesregierung trägt mit der Fortschreibung des Gedenkstätten­konzeption aus dem Jahre 1999, die im Koalitions­vertrag vom November 2005 festgelegt wurde, der historischen Verpflichtung Deutschlands Rechnung: Ihr Ziel ist es, Verant­wortung wahr­zunehmen, die Auf­arbeitung zu verstärken und das Gedenken zu vertiefen.

Das Verständnis der eigenen Geschichte trägt zur Identitäts­bildung jeder Nation bei. Dazu gehören für uns Deutsche die Lehren, welche die Gründer­generation der Bundes­republik Deutschland aus der ver­brecherischen Herrschaft des National­sozialismus gezogen hat: Die unver­äußerliche Achtung der Menschen­würde, das Be­wusstsein für die Bedeutung der Freiheit und die Werte­bindung des Grund­gesetzes sind tragende Prinzipien unserer demokratischen Ordnung.

Zum historischen Erbe des wieder­vereinigten Deutschland zählt seit 1990 auch die kommu­nistische Diktatur in der ehe­maligen SBZ/DDR. Der auf dem Grund­gesetz fußende anti­totalitäre Konsens verbindet heute die demo­kratischen Parteien im Wissen um den menschen­verachtenden Charakter dieser Diktatur.

Darauf beruht unsere gemeinsame Verant­wortung, das Gedenken an das menschliche Leid der Opfer wach zu halten. Geschichte muss konsequent aufge­arbeitet werden. Jeder Generation müssen die Lehren aus diese Kapiteln unserer Geschichte immer wieder neu vermittelt werden.

1. Einleitung. Es ist unverzichtbar, den Unterschied zwischen NS-Herrschaft und SED-Diktatur Rechnung zu tragen. [...]

(Hervorhebung hinzugefügt.)



Meinungsäußerung. Ansprache des Zeitzeugen Ernst Grube in Surberg (2014), Verfolgter unter dem NS-Regime


Quelle: Ansprachen von Zeitzeugen: Ernst Grube (2014), in: Friedbert Mühldorfer (Hg.): Gedenkfeiern gegen das Vergessen – Der KZ-Friedhof in Surberg. [Ohne Druck- oder Verlagsort (Waging am See)] 2015, Seite 145.

[...] Der ehemalige verfolgte jüdische Sozial­demokrat und Staats­anwalt Fritz Bauer, der vor 50 Jahren den Auschwitz-Prozess in Gang brachte, hatte nicht die Justiz hinter sich. Er konnte sich nur auf einen kleinen Kreis vertrauter integrer Juristen und anderer Helfer, wie zum Beispiel den ehe­maligen Auschwitz-Gefangenen Hermann Langbein, stützen.

Eine Auseinander­setzung mit den Wurzeln des Faschismus, seiner Förderer und Nutz­nießer und eine Aufklärung über die Verbrechen des NS-Regimes wurde auch durch die personelle Verstrickung und Bestimmungs­macht ehemaliger Nazi­bediensteter verhindert. Jahrzehnte lang war das so. Die Unfähigkeit zur Kon­frontation mit der Wahrheit und Wirk­lichkeit war Main­stream in unserer Gesellschaft. Bundes­deutsches Selbst­bewusstsein nährte sich an einem sogenannten Wirtschaftswunder.

Nicht wahrhaben wollend, was der Ausgangs­punkt der bundes­deutschen Nachkriegs­wirtschaft war: Kriegs­profite, Raub, Ausnutzung von Häftlings- und anderer millionen­facher Zwangs­arbeit, sowie vorent­haltener Repa­rationen und verweigerte Ent­schädigungen an Menschen und Staaten.

Ein Vertreter dieser Mentalität war Franz Josef Strauß, zuletzt bayerischer Ministerpräsident.

Er sagte 1969: "Ein Volk, das diese wirt­schaftlichen Leistungen vollbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen." Zitat in der Frank­furter Rund­schau vom 13. September 1969. [Falsches Strauss-Zitat, siehe Einschub von mir (Anm.).*]

* Einschub (Richtig­stellung/Zitat): Angebliches Strauß-Zitat von 1969 wurde zehn Jahre später zurückgezogen

Quelle: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/falsches-strauss-zitat-kaum-aus-der-welt-zu-schaffen-1.4555221 (Q119, erneut abgerufen 6.09.2022)

6. August 2019, 18:44 Uhr Falsches Strauß-Zitat

Kaum aus der Welt zu schaffen

"Stationen der Verdrängung" vom 13./14. Juli:

Christiane Mudra stützt sich auf ein angebliches Franz-Josef-Strauß-Zitat: "Ein Volk, das diese wirt­schaftlichen Leistungen erbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen." Es stammt aus einem Leit­artikel der "Frank­furter Rund­schau" von 1969. Diese hat das Zitat 1979 zurück­gezogen, weil "die Quelle mehr als zweifel­haft war" (Dr. Wilhelm Knittel, der frühere Büro­leiter von Franz Josef Strauß, belegt dies mit einem Schreiben des Chefs vom Dienst der Frankfurter Rund­schau vom 27. Juli 1979; d. Red.). Auf Inter­vention der CSU-Landes­leitung hat sich "Die Zeit" in ihrer Ausgabe vom 13. Juli 1979 von dem Zitat distanziert. Der "Spiegel" hat in der Aus­gabe vom 22. März 1982 einen ent­sprechenden Leser­brief des Presse­sprechers der Bayerischen Staats­kanzlei veröffentlicht.

Das erneute Zitat beweist, wie negative Falsch­meldungen über Franz Josef Strauß kaum mehr aus der Welt zu schaffen sind.

Dr. Wilhelm Knittel, Grünwald



Gedenken und Erinnern wurde nur von wenigen gesell­schaftlichen Initiativen, oft ohne kommunale und staatliche Unter­stützung, meist gegen die Stimmung in der lokalen Bevölkerung durchgeführt.

Es dauerte 50 Jahre, bis 1995 ein bayerischer Minister­präsident anlässlich der Befreiungs­feier­lichkeiten die Gedenkstätte Dachau besuchte.

Zurück zu meiner persönlichen Geschichte [...]


Saskia Herklotz und Helge Theil: Die Orte können noch "erzählen". DAS FÖRDER­PROGRAMM "JUGEND ERINNERT INTER­NATIONAL" DER STIFTUNG ERIN­NERUNG VERANT­WORTUNG UND ZUKUNFT.


Quelle: GedenkstättenRundbrief, Nr. 203, 9/2021, S. 17-29, Topographie des Terrors (Hg.), Online-Artikel und dort als PDF-Download verfügbar (Q180, erneut abgerufen 6.09.2022).

"Über achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Shoah steht die historisch-politische Bildung vor immensen Heraus­forderungen: Das Ableben der Zeitzeugen-Generation und die Bildungs­heraus­forderungen in einer zunehmend heterogenen und global immer stärker vernetzten Gesellschaft erfordern neue Zugänge in der Darstellung und Ver­mittlung der Geschichte des »Dritten Reiches«. Dieser Prozess vollzieht sich vor dem Hinter­grund eines wieder­erstarkenden Nationalismus, verschärfter politischer und gesell­schaftlicher Diskurse und einer zuneh­menden Polarisierung der Gesellschaften in vielen Ländern Europas und weltweit.

[...] Die Gesamtdimensionen national­sozialistischer Verfolgung und Vernichtung werden umfassend erst in inter­nationaler Perspektive sicht- und greifbar. Die Unter­schiedlichkeit der historischen Erfahrungen des National­sozialismus in den verschiedenen Ländern West-, Mittel- und Osteuropas wie auch der jeweiligen Entwicklungen in der Nach­kriegszeit schlägt sich dabei in divergierenden, zuweilen höchst disparaten Narrativen in Geschichts­politik und Erinnerungs­kultur nieder; zugleich müssen diese unter­schiedlichen Rahmen­bedingungen bei der Betrachtung und Bewertung von Phänomenen wie Zuschauer- und Mit­läufertum, Widerstand und Kollaboration unbedingt berücksichtigt werden. Ähnliches gilt für die Schicksale unter­schiedlicher Verfolgten­gruppen im «Dritten Reich«, deren öffentliche Wahr­nehmung und Aner­kennung. So gilt es heute mehr denn je, alle Verfolgten­gruppen des National­sozialismus gleicher­maßen in den Blick nehmen. Daher sind Multi­perspektivität und Trans­nationalität Grund­voraussetzungen für ein zeit­gemäßes Lehren und Lernen über den Holocaust und für die Diskussion um euro­päische Erinnerungskultur(en).

Eine zweite Grund­voraussetzung für eine zeit­gemäße historisch-politische Bildung ist der Gegenwarts­bezug: Geschichte und Erinnerung müssen fort­laufend für neue Gene­rationen aktualisiert und mit Bedeutung im und für das Hier und Heute versehen werden. Gerade diese beständige Aktu­alisierung bildet die Grundlage für Sensi­bilisierung, Wach­samkeit, das Engagement gegen Rassismus, Anti­semitismus, Anti­ziganismus und jede Art von gruppen­bezogener Menschen­feindlichkeit und damit die Ausbildung eines kritischen Geschichts­bewusstseins: Die Allge­meine Erklärung der Menschen­rechte von 1948 war eine grund­legende Antwort auf historisches Unrecht und vor allem die beispiel­losen national­sozialistischen Verbrechen und den Zweiten Weltkrieg – die Durch­setzung der Menschen­rechte bleibt jedoch eine Aufgabe über die Gegenwart hinaus. Aus diesem Ent­stehungs­kontext ergeben sich die engen Verbin­dungen und Über­schneidungen der historisch-politischen zur Demokratie- und Menschen­rechtsbildung, die insofern immer auch einen Beitrag zur Ent­stehung einer frei­heitlichen und offenen, aber auch wehr­haften Zivil­gesellschaft leisten will und soll. [...]

Die vergessenen Orte des Holocaust

So wurden – bei einer wesentlich geringeren Anzahl von Überlebenden – in den Ver­nichtungs­lagern der Aktion Reinhardt (Sobibór, Bełżec und Treblinka) zwischen Dezember 1941 und November 1943 mehr Menschen ermordet als im Konzentrations- und Vernichtungs­lager Auschwitz-Birkenau, das geradezu sinn­bildlich für den industriellen Massen­mord steht. Zugleich sind die Aufstände von Treblinka (2. August 1943) und Sobibór (14. Oktober 1943) nahezu unbekannt. Kaum präsent in der öffent­lichen Wahrnehmung in Deutschland sind zudem die zahl­reichen Orte von Massen­erschießungen etwa auf dem Gebiet der Ukraine und Belarus. Vor diesem Hinter­grund stellen Mittel- und Osteuropa mit den deutschen Nachbar­ländern Polen und Tschechien sowie insbe­sondere Belarus im Förder­programm »Jugend erinnert inter­national« einen geo­grafischen Schwer­punkt dar. Beispielhaft dafür steht die Ver­nichtungs­stätte Malyj Trostenez bei Minsk in Belarus, wo von 1942 bis 1944 zwischen 40 000 und 60 000 Menschen ermordet wurden, die meisten von ihnen deutsche, österreichische und tschechische Jüdinnen und Juden, sowjetische Kriegs­gefangene sowie An­gehörige der bela­rusischen Zivil­bevölkerung, die als Partisanen verdächtigt wurden."

(Hervorhebung von mir hinzugefügt.)



Link für diese Originalseite / Zitierweise

Johannes S. Wrobel: Erinnerungskultur/Gedenken (Vorwort). NS-Opfergruppen zwischen München und Salzburg mit Schwerpunkt Südost-Oberbayern: Diskriminiert, verfolgt, entrechtet, ermordet – erinnern, gedenken, mahnen (heute). (Meine) Grundlagen – Zitate, in: "Für Gedenken, gegen (unser) Vergessen heute" (persönlicher Blog), URL: https://www.stephan-wrobel.de/start-gedenken.htm (abgerufen ).

Kurzlink: http://erinnerungskultur.stephan-wrobel.de (wird von Google nicht indexiert)



* (M)Ein Name, zwei Vornamen

Ich schreibe jouna­listisch und lexikalisch und pub­liziere meine Texte und Fotos online und analog nicht nur wie zwischen 1996 und 2008 als Historiker Johannes S. Wrobel (siehe meine damals publi­zierten geschichts­wissen­schaftliche Arbeiten hier und auf www.lilawinkel.de/published.htm, sondern heute ebenso zu foto- und text­künst­lerischen sowie auto­bio­gra­fischen Zwecken auf www.stephan-wrobel.de ("Notiz­BLOG", Foto "Augen-Blicke", Litera­risches und mehr) unter zwei amt­lichen Vor­namen (in Bayern bin ich als Stephan bekannt) und dem Familien­namen (Wrobel) sowie online, wie auf Google Maps und Face­book, zusätzlich unter einem künst­lerischen Namen (Castellio): Weiter­lesen und mehr über Johannes Stephan Wrobel (jswrobel, jw) unter About (me) auf www.stephan-wrobel.de und www.lilawinkel.de ("Über den Verfasser und Hintergründe").

Sofern nicht anders angegeben: "Copyright © johannes stephan wrobel freilassing/bayern" (oder auch "© stephan wrobel freilassing/obb."); im Bereich Geschichte gibt es verkürzte Varianten, wie "© jswrobel, lilawinkel.de" oder "© jswrobel, jwhistory.de".

jswrobel.de (jw) | jwhistoryJohannes S. Wrobel, freier Autor, Heimatforscher & Historiker | Stephan Wrobel, Texten & Fotos
Werdegang: West-Berlin; ab 1972 Wiesbaden, Selters/Taunus (Hessen): Korrespondent, Archiv-, Geschichts- und Gedenkarbeit sowie PR im In- und Ausland (1996–2008, Aufenthalte in Brooklyn N.Y.). Nach 2008: Schwäbische Alb (Sonnenbühl bei Reutlingen in Baden-Württemberg). Lebensraum seit 2011: EuRegio Freilassing Bayern - Salzburg - Lkrs. Berchtesgadener Land (BGL). (Vgl. Rubrik "
Rückblicke".)