Das Foto oben zeigt den Verfasser vor dem Eingangstor mit der zynischen Parole "Arbeit macht frei" des ehemaligen deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz (Oświęcim, Polen) zur Eröffnung einer Sonderausstellung, die er zusammen mit seinem Team konzipiert hatte und am 21.09.2004 vor Ort mit einem Referat eröffnete. Das Bild ist einem ausführlichen Bericht darüber in der polnischen Zeitschrift "Przeglad" vom 14.11.2004, S. 60 entnommen.
"Wer heute einen Schlussstrich ziehen will unter diesen Teil deutscher Geschichte, der verhöhnt nicht nur die Opfer" (Heiko Maas, seinerzeit deutscher Außenminister, zusammen mit Prof. Dr. Andreas Wirsching, 2020).
Stand 29.09.2021 | aktualisiert 28.07./6.09.2022 | 2023 ↺
Notiz vom 15.08.2020: Beim "Naturschlendern" an der ☞ Saalach war ich heute an der ☞ Hammerauer Brücke auf österreichischer Seite nach ☞ Wals abgebogen und finde dort an der Aussenwand der Kirche (Foto links) nicht nur einen ☞ Römerstein, sondern zu meiner Überraschung eine Gedenktafel für ein "Euthanasie"-Opfer der Nationalsozialisten – das erste Mal in unserer Gegend (abgesehen jetzt von Salzburgs ☞ "Stolpersteinen" für die unterschiedlichen NS-Opferkategorien, darunter auch für die Opfer der Patienten- und -Krankenmorde im Nationalsozialismus):
Maria Huber (geb. 1904) "ermordet im Mai 1941 in der NS-Tötungsanstalt Hartheim"
Ein unscheinbares, doch beispielhaftes Stück Erinnerungskultur der Gemeinde Wals-Siezenheim, die sich der Realität mit Würde stellt.
Der Anlass ist ein Grund mehr für mich, hier die Eröffnung der Rubrik ☞ "Erinnerungskultur" (Home) vorzuziehen, auch wenn sie noch auf die redaktionelle Komplettierung der Artikel über lokale NS-Opfergruppen warten muß, zumindest ist inzwischen schon mal die Übersicht (Einführung) und der Artikel "Sinti und Roma" online gestartet [vorübergehend offline].
Vorab eine Zusammenfassung, angestoßen durch die gefundene Gedenktafel in Wals, siehe oben, auf ein nationalsozialistisches Staatsverbrechen aus nicht allzu ferner Vergangenheit:
In der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland, Österreich und den besetzten/annektierten Gebieten fielen bis 1945 weit über 200.000 Menschen, die als "unwertes Leben" betrachtet wurden (zB Menschen mit Behinderungen, Kranke und arbeitsunfähige KZ-Häftlinge), den "Krankenmorden" in Heil- und Pflegeanstalten sowie Konzentrationslagern zum Opfer. Das oben erwähnte Schloss Hartheim bei Linz, wo Frau Huber aus Wals ermordet wurde, gehörte zusammen mit Bernburg* und Sonnenstein zu besonderen Tötungsanstalten während der NS-Diktatur. Wo verloren Menschen aus Freilassing und Umgebung als Opfer der nationalsozialistischen "Euthanasie"- und Krankenmorde ihr Leben? In Hartheim wie Frau Huber aus Wals oder gehörten sie zu den mehr als 2.000 Patientinnen und Patienten, die zwischen 1940 und 1944 in der "Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar" (München) zu Tode kamen? Allein für Salzburg wird die Zahl von über 500 "Euthanasie"-Opfern genannt und eine Anzahl Namen im Internet gelistet. Darüber später insgesamt mehr hier, zusammen mit Fallbeispielen, in der Rubrik ☞ "Erinnerungskultur | 'Euthanasie'-Opfer - NS-Krankenmorde".
* Am 9. Oktober 2008 hielt ich in Bernburg, nach 12 Jahren Geschichts-, Gedenk- und Öffentlichkeitsarbeit im In- und Ausland, mein letztes Referat, "'Wohin diese Transporte gingen, erfuhren wir nicht.' Eine Spurensuche." In Bernburg befindet sich die "Gedenkstätte für Opfer der NS-Euthanasie Bernburg in Sachsen-Anhalt".
Anläßlich meines Besuches in Bernburg besichtigte ich den historischen Ort, die Räumlichkeiten der ehemaligen NS-Tötungsanstalt, einschließlich der Gaskammer (Foto). Im November 2008 gab ich dann die damalige Gedenk- und Forschungsarbeit in Verbindung mit einer NS-Opfergruppe und alle meine institutionellen Zugehörigkeiten freiwillig auf, zog von Selters/Taunus (Hessen) weg und begann auf der Schwäbischen Alb, ab 2011 in Oberbayern, einen neuen, interessanten und ausgefüllten Lebensabschnitt, womit sich andere Teile der Homepage www.stephan-wrobel.de und meiner Webseiten beschäftigen.
Seit meiner "Entdeckung" der Gedenktafel für das NS-"Euthanasie"-Opfer Maria Huber in Wals-Siezenheim ist einige Zeit vergangen. Die Rubrik "Erinnerungskultur" (NS-Opfergruppen) befindet hier noch immer in der Vorbereitungsphase. Daher vorab Informationen aus dem "Opferverzeichnis Salzburg": Maria Huber wurde am 16. Juli 1904 in Wals (Österreich) geboren und am 21. Mai 1941 von der Landesheilanstalt Salzburg in die Tötungsanstalt auf Schloß Hartheim bei Linz verschleppt und dort 1941 ermordet (Q126-3). Weitere Informationen habe ich über sie gegenwärtig nicht zur Hand (wird angefragt). Maria Huber ist ein Beispiel für die vielen Opfer des Nationalsozialismus aus unserer Region, jenseits der Saalach.
Ebenso vorab das Zitat einer befragten Zeitzeugin aus Salzburg-Maxglan: "Was mit Juden, Zigeunern, geistig Behinderten oder auch Andersdenkenden passierte, war uns durchaus bekannt. So wohnte zum Beispiel im Parterre von Wehrgasse 13 eine Familie H. Der Vater von Frau H.* war geistig behindert und deswegen in der LNK [Landesnervenklinik Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 79, 5020 Salzburg]. Als Frau H. ihren Vater eines Tages besuchen wollte, kam sie gerade zurecht zum Abtransport der ganzen Abteilung in ein Todeslager bzw. eine Sonderanstalt [17. April 1941, s. Fußnote]. Die Kranken wehrten sich nach Kräften, schrien und weinten, da sie vermutlich ahnten, was mit ihnen passieren würde. Wenige Tage später erhielt die Familie die Verständigung über den Tod des Vaters" (Lauterbacher 1995, S. 11).
* Gemeint ist Hermann Hager (geb. 31.03.1910 in Salzburg), der bei seiner verwitweten Mutter in der Gemeinde Maxglan, seit 1935 ein Stadtteil von Salzburg, wohnte und im November 1933 stationär in der Landesheilanstalt Salzburg aufgenommen worden war. "Er befand sich unter den 82 Pfleglingen, die am 17. April 1941 nach Hartheim deportiert und dort ermordet wurden", recherchierte der österreichische Historiker Gert Kerschbaumer für den in Salzburg verlegten "Stolperstein" für Hermann Hager.
Hier folgt der Kontext zum obigen Zitat im Titel
... und weitere Zitate als Grundlagen für die Gedenkarbeit
Gemeinsamer Beitrag von Außenminister Heiko Maas und Prof. Dr. Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München, zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs.
Kein Tag hat unsere jüngere Geschichte tiefer geprägt als der 8. Mai 1945. An diesem Tag schwiegen über den Gräbern von mehr als 40 Millionen Toten in Europa die Waffen. Die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten und der Mord an den Juden Europas fanden ein Ende. Er wurde zum Tag der Befreiung für Millionen Entrechtete und Verfolgte, zum Tag des Gedenkens an die Opfer, zum Sieg über das Unrecht.
Die Deutschen zahlten mit diesem Tag den Preis dafür, dass sie den 30. Januar 1933 ermöglicht hatten und sich nicht selbst vom Nationalsozialismus befreien konnten. In den Trümmern deutscher Städte blickte die große Mehrzahl der Menschen voller Angst und Verzweiflung in die Zukunft. Es dauerte 40 Jahre bis Richard von Weizsäcker auch im deutschen Namen von „Befreiung“ sprechen und dabei zumindest eine Mehrheit der westdeutschen Gesellschaft hinter sich wissen konnte. Möglich machte dies erst die oft schmerzhafte, von Rückschlägen geprägte Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus nach dem Zweiten Weltkrieg.
Diese Erfahrung zeigt: Es lassen sich Lehren ziehen aus der Geschichte – zumal aus ihren Katastrophen. Dass von deutschem Boden nie wieder Krieg oder Menschheitsverbrechen ausgehen dürfen, ist heute unverrückbarer Kern deutscher Außenpolitik. Unser Eintreten für ein starkes und geeintes Europa, für die Menschenrechte als universelle Ausprägung menschlicher Würde, für regelgebundene, internationale Kooperation, die Absage an deutsche Sonderwege – all dies speist sich aus dem Wissen um die beispiellosen Verbrechen Deutschlands im 20. Jahrhundert, die im Holocaust ihren monströsesten Ausdruck gefunden haben.
Wer heute einen Schlussstrich ziehen will unter diesen Teil deutscher Geschichte, der verhöhnt nicht nur die Opfer. Er beraubt deutsche Politik ihrer Glaubwürdigkeit. Denn: Selbstkritik und Selbstbewusstsein bedingen einander. Für kein Land gilt das mehr als für unseres.
Politik ohne Geschichte ist für uns undenkbar. [...]
(Hervorhebung hinzugefügt.)
Grundlagen für die Gedenkstätten- und damit für die Gedenkarbeit im allgemeinen
Quelle: Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/9875, 19.06.2008, Seite 1 (Vorwort und erster Satz der Einleitung). Zugeleitet mit Schreiben des Beauftragten für Kultur und Medien vom 18. Juni 2008.
[...] Die Bundesregierung trägt mit der Fortschreibung des Gedenkstättenkonzeption aus dem Jahre 1999, die im Koalitionsvertrag vom November 2005 festgelegt wurde, der historischen Verpflichtung Deutschlands Rechnung: Ihr Ziel ist es, Verantwortung wahrzunehmen, die Aufarbeitung zu verstärken und das Gedenken zu vertiefen.
Das Verständnis der eigenen Geschichte trägt zur Identitätsbildung jeder Nation bei. Dazu gehören für uns Deutsche die Lehren, welche die Gründergeneration der Bundesrepublik Deutschland aus der verbrecherischen Herrschaft des Nationalsozialismus gezogen hat: Die unveräußerliche Achtung der Menschenwürde, das Bewusstsein für die Bedeutung der Freiheit und die Wertebindung des Grundgesetzes sind tragende Prinzipien unserer demokratischen Ordnung.
Zum historischen Erbe des wiedervereinigten Deutschland zählt seit 1990 auch die kommunistische Diktatur in der ehemaligen SBZ/DDR. Der auf dem Grundgesetz fußende antitotalitäre Konsens verbindet heute die demokratischen Parteien im Wissen um den menschenverachtenden Charakter dieser Diktatur.
Darauf beruht unsere gemeinsame Verantwortung, das Gedenken an das menschliche Leid der Opfer wach zu halten. Geschichte muss konsequent aufgearbeitet werden. Jeder Generation müssen die Lehren aus diese Kapiteln unserer Geschichte immer wieder neu vermittelt werden.
1. Einleitung. Es ist unverzichtbar, den Unterschied zwischen NS-Herrschaft und SED-Diktatur Rechnung zu tragen. [...]
(Hervorhebung hinzugefügt.)
Meinungsäußerung. Ansprache des Zeitzeugen Ernst Grube in Surberg (2014), Verfolgter unter dem NS-Regime
Quelle: Ansprachen von Zeitzeugen: Ernst Grube (2014), in: Friedbert Mühldorfer (Hg.): Gedenkfeiern gegen das Vergessen – Der KZ-Friedhof in Surberg. [Ohne Druck- oder Verlagsort (Waging am See)] 2015, Seite 145.
[...] Der ehemalige verfolgte jüdische Sozialdemokrat und Staatsanwalt Fritz Bauer, der vor 50 Jahren den Auschwitz-Prozess in Gang brachte, hatte nicht die Justiz hinter sich. Er konnte sich nur auf einen kleinen Kreis vertrauter integrer Juristen und anderer Helfer, wie zum Beispiel den ehemaligen Auschwitz-Gefangenen Hermann Langbein, stützen.
Eine Auseinandersetzung mit den Wurzeln des Faschismus, seiner Förderer und Nutznießer und eine Aufklärung über die Verbrechen des NS-Regimes wurde auch durch die personelle Verstrickung und Bestimmungsmacht ehemaliger Nazibediensteter verhindert. Jahrzehnte lang war das so. Die Unfähigkeit zur Konfrontation mit der Wahrheit und Wirklichkeit war Mainstream in unserer Gesellschaft. Bundesdeutsches Selbstbewusstsein nährte sich an einem sogenannten Wirtschaftswunder.
Nicht wahrhaben wollend, was der Ausgangspunkt der bundesdeutschen Nachkriegswirtschaft war: Kriegsprofite, Raub, Ausnutzung von Häftlings- und anderer millionenfacher Zwangsarbeit, sowie vorenthaltener Reparationen und verweigerte Entschädigungen an Menschen und Staaten.
Ein Vertreter dieser Mentalität war Franz Josef Strauß, zuletzt bayerischer Ministerpräsident.
Er sagte 1969: "Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen vollbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen." Zitat in der Frankfurter Rundschau vom 13. September 1969.[Falsches Strauss-Zitat, siehe Einschub von mir (Anm.).*]
* Einschub (Richtigstellung/Zitat): Angebliches Strauß-Zitat von 1969 wurde zehn Jahre später zurückgezogen
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/falsches-strauss-zitat-kaum-aus-der-welt-zu-schaffen-1.4555221 (Q119, erneut abgerufen 6.09.2022)
6. August 2019, 18:44 Uhr Falsches Strauß-Zitat
Kaum aus der Welt zu schaffen
"Stationen der Verdrängung" vom 13./14. Juli:
Christiane Mudra stützt sich auf ein angebliches Franz-Josef-Strauß-Zitat: "Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen erbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen." Es stammt aus einem Leitartikel der "Frankfurter Rundschau" von 1969. Diese hat das Zitat 1979 zurückgezogen, weil "die Quelle mehr als zweifelhaft war" (Dr. Wilhelm Knittel, der frühere Büroleiter von Franz Josef Strauß, belegt dies mit einem Schreiben des Chefs vom Dienst der Frankfurter Rundschau vom 27. Juli 1979; d. Red.). Auf Intervention der CSU-Landesleitung hat sich "Die Zeit" in ihrer Ausgabe vom 13. Juli 1979 von dem Zitat distanziert. Der "Spiegel" hat in der Ausgabe vom 22. März 1982 einen entsprechenden Leserbrief des Pressesprechers der Bayerischen Staatskanzlei veröffentlicht.
Das erneute Zitat beweist, wie negative Falschmeldungen über Franz Josef Strauß kaum mehr aus der Welt zu schaffen sind.
Dr. Wilhelm Knittel, Grünwald
Gedenken und Erinnern wurde nur von wenigen gesellschaftlichen Initiativen, oft ohne kommunale und staatliche Unterstützung, meist gegen die Stimmung in der lokalen Bevölkerung durchgeführt.
Es dauerte 50 Jahre, bis 1995 ein bayerischer Ministerpräsident anlässlich der Befreiungsfeierlichkeiten die Gedenkstätte Dachau besuchte.
Zurück zu meiner persönlichen Geschichte [...]
Saskia Herklotz und Helge Theil: Die Orte können noch "erzählen". DAS FÖRDERPROGRAMM "JUGEND ERINNERT INTERNATIONAL" DER STIFTUNG ERINNERUNG VERANTWORTUNG UND ZUKUNFT.
Quelle: GedenkstättenRundbrief, Nr. 203, 9/2021, S. 17-29, Topographie des Terrors (Hg.), Online-Artikel und dort als PDF-Download verfügbar (Q180, erneut abgerufen 6.09.2022).
Über achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Shoah steht die historisch-politische Bildung vor immensen Herausforderungen: Das Ableben der Zeitzeugen-Generation und die Bildungsherausforderungen in einer zunehmend heterogenen und global immer stärker vernetzten Gesellschaft erfordern neue Zugänge in der Darstellung und Vermittlung der Geschichte des »Dritten Reiches«. Dieser Prozess vollzieht sich vor dem Hintergrund eines wiedererstarkenden Nationalismus, verschärfter politischer und gesellschaftlicher Diskurse und einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaften in vielen Ländern Europas und weltweit.
[...] Die Gesamtdimensionen nationalsozialistischer Verfolgung und Vernichtung werden umfassend erst in internationaler Perspektive sicht- und greifbar. Die Unterschiedlichkeit der historischen Erfahrungen des Nationalsozialismus in den verschiedenen Ländern West-, Mittel- und Osteuropas wie auch der jeweiligen Entwicklungen in der Nachkriegszeit schlägt sich dabei in divergierenden, zuweilen höchst disparaten Narrativen in Geschichtspolitik und Erinnerungskultur nieder; zugleich müssen diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen bei der Betrachtung und Bewertung von Phänomenen wie Zuschauer- und Mitläufertum, Widerstand und Kollaboration unbedingt berücksichtigt werden. Ähnliches gilt für die Schicksale unterschiedlicher Verfolgtengruppen im «Dritten Reich«, deren öffentliche Wahrnehmung und Anerkennung. So gilt es heute mehr denn je, alle Verfolgtengruppen des Nationalsozialismus gleichermaßen in den Blick nehmen. Daher sind Multiperspektivität und Transnationalität Grundvoraussetzungen für ein zeitgemäßes Lehren und Lernen über den Holocaust und für die Diskussion um europäische Erinnerungskultur(en).
Eine zweite Grundvoraussetzung für eine zeitgemäße historisch-politische Bildung ist der Gegenwartsbezug: Geschichte und Erinnerung müssen fortlaufend für neue Generationen aktualisiert und mit Bedeutung im und für das Hier und Heute versehen werden. Gerade diese beständige Aktualisierung bildet die Grundlage für Sensibilisierung, Wachsamkeit, das Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und jede Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und damit die Ausbildung eines kritischen Geschichtsbewusstseins: Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 war eine grundlegende Antwort auf historisches Unrecht und vor allem die beispiellosen nationalsozialistischen Verbrechen und den Zweiten Weltkrieg – die Durchsetzung der Menschenrechte bleibt jedoch eine Aufgabe über die Gegenwart hinaus. Aus diesem Entstehungskontext ergeben sich die engen Verbindungen und Überschneidungen der historisch-politischen zur Demokratie- und Menschenrechtsbildung, die insofern immer auch einen Beitrag zur Entstehung einer freiheitlichen und offenen, aber auch wehrhaften Zivilgesellschaft leisten will und soll. [...]
Die vergessenen Orte des Holocaust
So wurden – bei einer wesentlich geringeren Anzahl von Überlebenden – in den Vernichtungslagern der Aktion Reinhardt (Sobibór, Bełżec und Treblinka) zwischen Dezember 1941 und November 1943 mehr Menschen ermordet als im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, das geradezu sinnbildlich für den industriellen Massenmord steht. Zugleich sind die Aufstände von Treblinka (2. August 1943) und Sobibór (14. Oktober 1943) nahezu unbekannt. Kaum präsent in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland sind zudem die zahlreichen Orte von Massenerschießungen etwa auf dem Gebiet der Ukraine und Belarus. Vor diesem Hintergrund stellen Mittel- und Osteuropa mit den deutschen Nachbarländern Polen und Tschechien sowie insbesondere Belarus im Förderprogramm »Jugend erinnert international« einen geografischen Schwerpunkt dar. Beispielhaft dafür steht die Vernichtungsstätte Malyj Trostenez bei Minsk in Belarus, wo von 1942 bis 1944 zwischen 40 000 und 60 000 Menschen ermordet wurden, die meisten von ihnen deutsche, österreichische und tschechische Jüdinnen und Juden, sowjetische Kriegsgefangene sowie Angehörige der belarusischen Zivilbevölkerung, die als Partisanen verdächtigt wurden."
(Hervorhebung von mir hinzugefügt.)
Erinnerungskultur – Gedenkarbeit für die Opfer des Nationalsozialismus 1933–1945
jswrobel (jw) | jwhistory – Johannes Stephan Wrobel Bis 2008: West-Berlin – Wiesbaden & Selters/Taunus in Hessen, 1996 Brooklyn N.Y. , 1996–2008 Archiv-, Geschichts- und Gedenkarbeit sowie PR im In- und Ausland. Seit 2009: Schwäbische Alb (Sonnenbühl bei Reutlingen in Baden-Württemberg) – mein Lebensraum seit 2011: EuRegio Freilassing/Salzburg – Lkrs. "Berchtesgadener Land" (BGL) – Traunstein. (Vgl. Rubrik "Rückblicke".)